Die Wißmannkirche in Dorf Alvensleben

Die Wißmannkirche in Dorf Alvensleben

Von Paul Necesanek, Alvensleben

Heimatblatt für das Land um obere Aller und Ohre

Neuhaldensleben, 20. August 1932

Das alte Dorf Alvensleben lag früher etwa eine Viertelstunde weiter westlich in der Nähe des jetzigen Dorffriedhofs.

Von der alten Dorfstelle ist nur noch dieser Friedhof vorhanden, auf dem die alte Dorfkirche, die dem St. Stephan gewidmet war, stand. Wie lange sie gestanden hat, ist nicht bekannt.

Die alte Kapelle

Die Kirchenrechnung des Jahres 1697 sagt, dass für die Stephanskirche noch Baukosten in Höhe von 17 Talern 9 Groschen 5 Pfennigen ausgegeben wurden. Im Jahre 1700 wurden für die Stephanskirche nur noch 3 Groschen ausgegeben. Nach dem Neubau der St. Godeberti-Kapelle in den Jahren 1697—1700 wurde nach Ausweis der Kirchenrechnungen an der Stephanskirche nichts mehr gemacht. Sie wird in Laufe der folgenden Jahre verfallen sein. An sie erinnert heute nur noch der Flurname hinter der alten Kirche. Aus Gründen der Sicherheit siedelten schon in frühester Zeit die Bewohner des „alten“ Dorfes Alvensleben sich mehr in der Nähe der drei Alvensleber Burgen und der Turmhöfe an. Turmhöfe waren feste zur Verteidigung eingerichtete Wohnsitze der Burglehnsmannen Im Laufe der Zeit wurde so im Schutze der Burgen und Turmhöfe das „neue“ Dorf Alvensleben. Im neuen Dorf wurde nun auf dem Grund und Boden eines Turmhofes, der in den Jahren von 1653 bis 1724 den Wißmanns gehörte, ein neues Gotteshaus errichtet, es war die Kapelle St. Godebert. Eine Schrifttafel an der Südwand der heutigen Kapelle sagt, dass St. Godarde, der Schutzheilige dieser Kapelle, Bischof zu Hildesheim gewesen wäre und in den Jahren von 960 bis 5. Mai 1038 gelebt hätte. Wann die Kapelle errichtet wurde, ist unbekannt. Nach Behrends soll die Kapelle schon 1332 Land in Druxberge, Uhrsleben, Rottmersleben und Seelschen besessen haben.

Eine Nachprüfung dieser Angaben war nicht möglich. Bekannt ist nur, dass in den Jahren 1697 bis 1700 ein Neubau erfolgte, der der Kapelle ihre heutige Form gab.

 

Von der älteren Godoberti-Kirche habe ich bisher nur eine Bauinschrift entdecken können. Ich fand sie an sonderbarerer Stelle. Der schöne Taufengel wird durch ein Gegengewicht gehalten. Es ist auf dem Kirchenboden eine Steinplatte in der Größe von etwa 60 x 55 cm und trägt folgende lateinische Inschrift:

VIATOR HAC SACELLULUM VETUS
SCIA FACTUM A NOVUM POST
SEX DECEM QUE SECULA ANNOSQUE
CHRISTO GLORIA
JOHAN SCHRATERUS
AO 1616

Sie ist wohl am besten so zu verdeutschen:

Wisse, Wanderer, dass dieses alte kleine Heiligtum von neuem hergestellt wurde nach sowohl sechzehn Jahrhunderten wie auch Jahren zu Christi Ruhm. Johannes Schrader. Im Jahre 1616.

Die Inschrift stellt also nur zweimal die Tatsache der Herstellung fest. Originell ist sie durch die Worte „nach sowohl 16 Jahrhunderten wie auch Jahren“. Das bedeutet nach 16 Jahrhunderten und 16 Jahren, also 1616. Ich möchte an dieser Stelle anregen, dass die älteste Bauinschrift wegen ihrer Bedeutung für die Alvensleber Kirchengeschichte ordentlich gesäubert und dann in der Kirche an würdiger Steile angebracht wird. Als Gegengewicht für den Engel kann doch irgendein anderer rechteckiger Stein oder ein entsprechendes Eisenstück benutzt werden.

Aus der früheren Kapelle sind auch die vier Altarleuchter mit übernommen. Sie zeigen die Jahreszahl 1679 und das Zeichen ihres Herstellers. Die Kirchenrechnung von 1679 enthält folgende Eintragung:

»Die beiden großen alten zerbrochenen zinnernen Altarleuchter umgießen lassen und Meister Thomas Richtern, Kannengießer in Neuhaldensleben, for Zinn, so er dazu getan und an Machelohn gegeben 1 Taler 8 Groschen. Für die beiden kleinen zinnernen Altarleuchter so er ganz neu gemacht, demselben 1 Taler 20 Groschen. Botenlohn für zweimal nach Neuhaldensleben für das Bringen, Bestellen und holen 4 Groschen.»

Die Godebertikirche (Wissmannbau 1697-1700)

In den Jahren 1697 bis 1700 wurde, wie schon vorstehend erwähnt, die Kapelle in der heutigen Form errichtet. Die Inschrift an er äußeren Nordseite der Kapelle gibt uns über die Baugründe und über die Bauzeit Auskunft. Sie lautet:

SCEPTRUM TENENTE SERENISS:
AC POTENTISS: ELECTORE BRANDENB
DOMINO FRIDERICO III
IN BELLIS TURCO GALLICIS MAXIME PACIFICO
SACELLUM OLIM HUIUS LOCI FILIA DICTA S. STEPHANI
NOSTRI S. GODOBERTO A MAIORIBUS DICATA
OB VETUSTATEM ET ANGUSTIAM PUBLICIS
NON IMPLIES COMM0DUM CONVENTIBUS
CAPACIOREM HANCCE EAMQUE PRORSUS NOVAM
HODIE INDUIT FORMAM
INSTITUTENTIBUS ET CURANTIBUS
DNO. HERMANNO WISSMANNO PRAEFECTO RERUM
ELECTORALIUM QUAE SUNT ALVENSL: UMMEND:
ET HILDERSL: PRAEFECTO SUPERIORE
DON GUSTAV: JOACHIM: BUSSENO ANIMARUM PASTORE
NEC NON
CHR: KRÜMMELN ET ERN: WIGERD TEMPLIN PROVISORIBUS
A.O.R. MDCXCVII.

Das heißt übersetzt etwa:

‚Unter der Regierung des allerglücklichsten und großmächtigsten Kurfürsten von Brandenburg Herrn Friedrich III., dem hervorragendsten Friedensstifter in den türkisch-französischen Kriegen, erhielt die ehemals kleine Kapelle dieses Ortes, Tochter unseres St. Stephan geheißen. dem St. Godobert von den Vorfahren geweiht, wegen Alters und Engigkeit für öffentliche Versammlungen fürder nicht geeignet, viele geräumigere und neue Gestalt heute. indem Stifter (Erbauer) und Pfleger waren Herr Hermann Wißmann Amtmann der kurfürstlichen Besitzungen, welche da sind Alvensleben, Ummendorf und Hillersleben als Oberamtmann., Herr Gustav Joachim Busse als Seelenhirte und auch Chr. Krümmeln und Ernst Wigerd als Kirchenväter. AOR. 1697.‘

„Wegen Alters und Engigkeit“ musste die Kirche erneuert werden. Für den höchst notwendigen Kirchenbau wurden schon in den Jahren vorher Bauspenden gegeben.

Die Kirchenrechnungen weisen solche seit dem Jahre 1693 nach. Da heißt es z. B „von einem Unbekannten 3 Taler“ oder „3 Taler, so ein guter Freund heimlich in den Gotteskasten gestecket“ oder „10 Taler von einer gewissen Person zum Kirchenbau geschenkt bekommen“. Im ersten Baujahr 1697 gehen größere Spenden von dem Adel der Umgebung ein. So stifteten der Geheimrat von Alvensleben zu Hundisburg 22 Taler, der Herr von Arnstedt zu Brumby 20 Taler, der Herr von Veltheim allhier 25 Taler. Die höchsten Beträge aber spendete der Oberamtmann Wißmann. Seit dem Jahre 1692 waren es fast immer jährlich wenigstens 10 Taler, 1697 waren es 60 Taler. 1698 gab er sogar rund 170 Taler, 1699 wieder 22 Taler. Seiner großen Opferfreudigkeit war es also besonders zu danken, dass der Kirchenbau ausgeführt werden konnte. Auffallend hoch waren in den Baujahren auch die Einnahmen aus dem Klingelbeutel, die z. B. 1699 betrugen 41 Taler 15 Groschen 9 Pfennig, während die sonstigen Jahreserträge daraus nur etwa 9 bis 20 Taler ergaben. Auch ein Beweis für die Opferfreudigkeit der Kirchenbesucher.

Die Kirchenrechnungen der Jahre 1697 bis 1700 weisen bis in alle Einzelheiten die entstandenen Baukosten nach. Sie sind schon getrennt aufgeführt nach den einzelnen Arbeiten. Für Maurer- und sonstige Steinarbeiten wurden rund 400 Taler ausgegeben, für Zimmerarbeiten rund 320 Taler, für Eisen- und Schmiedearbeiten rund 80 Taler, für Tischler und Bildhauerarbeiten rund 120 Taler. Für Glaserarbeiten rund 30 Taler. So ergab sich eine Baukostensumme von rund 980 Talern. Fast 1000 Taler, eine für die damalige Zeit bedeutende Summe. Beachtet werden muss dabei, dass doch die Hand- und Spanndienste zum Bau unentgeltlich geleistet werden mussten. Aus den Rechnungen ergeben sieh auch die Namen der Handwerker. Die Maurerarbeiten lieferte der Meister Christoph Peitschner aus Altenhausen, die Steinmetzarbeiten Meister Peter Eiersleben aus Seehausen, die Zimmermannsarbeiten Meister Widmann, Schmiedearbeiten lieferten Ernst Wigert und Ernst Brüder, der einmal 5 Taler für geleistete Schmiedearbeiten der Kirche schenkte. Die Kirchendecke ist vom Tischler in Erxleben gemacht worden. Die Kapitelle der Säulen wurden in Calvörde gearbeitet. Die Bildhauerarbeiten kamen aus Helmstedt. Der Maler Bornemann aus Halberstadt besorgte das Ausmalen der Kirche. Der Kalk zum Bau wurde von Eschenrode geholt, der Gips von Vahldorf. Die Maurer und Ziegelsteine kamen aus Altenhausen, z.B. einmal 640 Krempziegel für 52 Taler 12 Groschen. Das Bauholz wurde zum größten Teil aus Magdeburg bezogen.

Die Wissmann-Familie

Die Baukostensumme aufzubringen war der Kirchengemeinde nicht möglich. Sie musste rund 500 Taler Schulden machen wie die Zusammenstellung in der Kirchenrechung von 1706 ausweist. Der Oberamtmann Wißmann hat nach dem Ausweis der Kirchenrechnung von 1706 allein davon 240 Taler übernommen. So ist er es gewesen, der den Kirchenboden zum größten Teil finanzierte. Er sorgte aber auch noch für die weitere Ausschmückung des neuen Gotteshauses. Noch heute erinnert in der Kirche manches an Wißmann, so dass man wohl mit Recht diese Kirche die Wißmann-Kirche nennen kann.

An der Kanzel und oben auf der Bekrönung ließ er sein Wißmann-Wappen und das Gueinzius Wappen anbringen, denn seine Frau war eine Katharina Elisabeth Gueinzius. Das Wißmann-Wappen zeigt in blauem Schild einen weißen Schwan auf grünem Boden, auf dem Helm einen weißgekleideten Mann mit einer Rose in der Rechten, die Linke ist gestützt. Die Helmdecken sind weiß-blau, der Helm ist gekrönt.

Das Gueinzius-Wappen zeigt einen goldenen Rehbock an einen natürlichen Weinstock mit drei goldenen Trauben aufsteigend auf grünem Grund. Die Helmdecken sind blau-golden. Der Bügelhelm ist gekrönt. An der Stirnseite der Kanzel befindet sich schön verschlungenen Namenszüge des Wißmannschen Ehepaares (H. W. und E. G.) in schmalen goldenen Buchstaben, umgeben von Lorbeerzweigen, die über den Buchstaben van einer Krone umschlossen werden, unter den Namenszügen steht die Jahreszahl 1698. Der schöne Taufengel, der uns in seiner ursprünglichen Ausmalung noch erhalten ist, wurde von Wißmann im Jahre 1700 gestiftet.

Unsere Kirche zeigt auch hoch heute das Grabdenkmal dieses Oberamtmanns Wißmann. Wahrend es bis 1930 hinter dem Altar stand, hat es nach der Renovierung der Kirche einen günstigeren Platz an der Südseite der Kirche gefunden. Es zeigt Wißmanns Büste in Alabaster in einem Umbau, der oben Wißmanns Wappen und unten eine Schrifttafel mit folgender Inschrift trägt

EFFIGIES QUAM SUSPICIS VIATOR
FRONTEM HERMANNI WISSMANNI PRIMARII
PRAEFECTI REGII REFERT
MODERANDIS NEGOTIIS MAGNUS MATURANDISERQUE QUATERQUE
MAJOR OBITT ANNO AETAT
SAL HUM LIX MDCCXVII

Das heißt in unserer Sprache etwa:

„Das Bildnis, das du betrachtest, Wanderer, gibt wieder die Vorderansicht von Herrmann Wißmann königl. Oberamtshauptmann. In der Verwaltung der Geschäfte groß, in der Beschleunigung drei- bis viermal größer, starb er im 59. Jahre des menschlichen Heils 1717“.

Hier am Grabdenkmal des Oberamtmanns Wißmann wurde ich schon des Öfteren gefragt "Wer waren denn diese Wißmanns und gehört auch der große Afrikaner Wißmann zu diesem Geschlecht? Das große Entgegenkommen des Herrn Majors Gueinzius in Halberstadt, dem ich auch an dieser Stelle nochmals meinen herzlichen Dank für Überlassung des familienkundlichen Materials aussprechen möchte, macht es mir möglich hierauf ausführlich zu antworten.

Die Wißmanns entstammen einem alten, angesehenen Kaufmannsgeschlecht, das schon vor dem Dreißigjährigen Kriege in Riga (Kurland) ansässig war. Dort war der Tuchhändler Hermann Wißmann in den Jahren 1602—1604 Aeltermann der großen Gilde. Aus seiner Ehe mit Margarete Lüdicke stammt der Sohn Johann Wißmann, der 1563 in Riga geboren wurde. Johann Wißmann war später kurfürstlich Brandenburgischer Quartalsgerichts-Advokat und Alvenslebischer Bibliothekar in Stendal. Durch einen am 9. Februar 1653 in Gardelegen ausgestellten Lehnsbrief belehnten Gebhard von Alvensleben aus Calbe und Hundisburg und Georg Friedrich von Alvensleben aus Erxleben und Isenschnibbe den Johann Wißmann samt Söhnen mit dem Turmhof in Dorf Alvensleben (nach S. Wolf, Geschichtliche Nachrichten über den Turmhof in Dorf Alvensleben). So wurde er Erbherr auf Alvensleben außerdem war er Erbsasse in Stendal und Erbherr auf Molitz. Er starb 1667 in Alvensleben. Johann Wißmann war verheiratet mit Katharina Krahn, einer Tochter des Adam Krahn, der auch altmärkischer Quartalsgerichtsadvokat und Freisasse in Stendal war.

Dieser Ehe entstammen 6 Kinder. Als drittes Kind wurde Hermann Wißmann der Jüngere am 14.11.1658 in Alvensleben geboren und starb am 26.1.1717. Er war es, der sich um die jetzige Dorfkirche so große Verdienste erworben hat. Seit 1686 war er verheiratet mit Katharina Elisabeth Gueinzius. Von den 13 Kindern. mit denen diese Ehe gesegnet wurde, wurde Vorfahr des großen Afrikaners das 12. Kind Christian Ludwig Wißmann, der am 22.11.1759 als Kriegs- und Domänenrat in Stettin starb. Er war zweimal verheiratet, Aus seiner zweiten Ehe mit Dorothea Luise Dames stammen 4 Kinder, darunter der Sohn Christian Gustav Wißmann, geboren 30. 3. 1752 in Stettin. Er starb am 21.3.1825 als Kriegsrat in Stettin. Auch er war zweimal verheiratet. Als seiner zweiten Ehe mit Marte Juliane Engelbrecht wurde am 9. 12. 1784 in Stettin August Friedrich Wilhelm Wißmann geboren, der am 5. 9. 1866 in Stettin als kgl. Preußischer Kommerzienrat starb. Vermählt war er mit Henriette Philippine Barthold.

Mit 6 Kindern war diese Ehe gesegnet. Als drittes Kind wurde am 28.12.1620 in Stettin Hermann Ludwig Wißmann geboren der am 21.2.1869 In Berlin als kgl. Preuß. Regierungsrat starb. Er war der Vater des großen Afrikaners.

Hermann Ludwig Wißmann war verheiratet mit Elisabeth Schach von Wittenau. Aus dieser Ehe wurde am 4.9.1653 in Frankfurt an der Oder der berühmte Afrikaner Wilhelm Leopold Ludwig Wißmann als ältestes Kind von vier Geschwistern geboren. Er starb am 15.6.1905 in Fischern in der Steiermark an einem Jagdunfall. Aus seiner an, 20.11.18g4 in Köln geschlossenen Ehe mit Helene Langen entsprossen 4 Kinder, i Sohn und 3 Töchter. Der einzige Sohn Hermann. geboren am 2.9.1695 fand im Weltkriege als Leutnant der Reserve den Fliegertod. Damit ist diese Linie des alten Geschlechts im Mannesstamm erloschen.

Die Wißmanns waren zur Zeit des Neubaus der Alvensleber Kirche äußerst wohlhabend. Hermann Wißmann besaß den großen Turmhof, das spätere Tegelsche Gut neben der Kirche. Die Kirche steht ja auf diesem Hofe. Zu diesem Gute gehörte außer Wiesen noch eine Mühle. Das Gut war 5 Hufen zu je 30 Morgen groß. Wißmann hatte 1698 noch 2 Turmhöfe, die weiter südlich an der Bever lagen (die jetzige Domäne) in Pacht. Im Jahre 1690 kaufte er noch einen Freihof, der zwischen dem eigenen Gutshof neben der Kirche und den beiden Pachthöfen lag, wodurch der ganze Besitz abgerundet wurde. Gleichzeitig kaufte er in Nordgermersleben noch einen weiteren Freihof. Die ganze Besitzung bestand aus 25 Hufen zu 30 Morgen besten Ackerlandes, ferner großen Wiesenflächen, Gärten, Ländereien in der Wüstung Wolfshausen (Amt Ummendorf), vielen Einkommen aus Abgaben und Zehnten. Auch in Neuhaldensleben gehörte ihm ein großes Haus. Er ließ auch das große massive Wohnhaus auf dem Gutshof neben der Kirche in Alvensleben erbauen. Welchen Wert die ganze Besitzung hatte, geht daraus hervor, dass die Eigenbesitzungen mit dem Hof in Nordgermersleben 1751 für 33.000 Taler verkauft wurden. Bei seiner Wohlhabenheit war Wißmann also gut in der Lage, für den Kirchenbau so Bedeutendes zu leisten..

Das Kirchengebäude

Die Kirche ist ein regelmäßiger rechteckiger Bau, der im Innern durch das Gestühl in einen langgestreckten achteckigen Kirchenraum umgewandelt ist. Das Gestühl ist in 3 Etagen aufgebaut. Durch diese Anordnung verschwindet die Kahlheit der weiß getünchten Wände und erweckt so den Eindruck des Geschlossenen. Einen besonderen Schmuck erhält die Altarwand durch die beiden mächtigen Säulen mit schön geformten Kapitellen und die beiden lebensgroßen Engelsfiguren zur Seite der Wappenbilder.

Gedenktafeln

Die Südwand der Kirche trägt 3 Schrifttafeln. Sie erinnern an die Alvensleber Ritterzeit, an den Namen der Kirche, an Luther und an das jetzige Patronatsgeschlecht. Da wird Richard von Alvensleben als Schirmvogt der Bischofsburg in Alvensleben im Jahre 1183 genannt. Gebhard von Alvensleben soll der Erbauer der Ritterburg in Alvensleben und 1197 Truchseß des Bistums Halberstadt gewesen sein. Die Inschrift, die sich auf den Schutzheiligen dieser Kirche bezieht, habe ich anfangs schon erwähnt. Die dritte Tafel berichtet, dass Joachim von Alvensleben-Erxleben, geboren 1514, sich 1547 zur lutherischen Lehre bekannte, die er auch in Alvensleben verbreitete. Er unterzeichnete am 13. Januar 1575 die Konkordienformel und starb am 12 Februar 1586 auf der Burg Alvensleben. Diese Tafeln wurden sicher dem Kirchenpatron Udo Gebhard Ferdinand von Alvensleben-Erxleben gestiftet, von dem die Tafel meldet, dass er seit 4. 6. 1887 Kirchenpatron sei.

Die Nordseite der Kirche trägt eine Tafel mit dem Verzeichnis der Teilnehmer an den Befreiungskrieg 1813—16, die Namen von 31 Feldzugsteilnehmern sind uns dadurch erhalten. An der gleichen Wand hat auch die große geschnitzte Ehrentafel Aufstellung gefunden, die uns die Namen von 38 gefallenen Helden der Kirchengemeinde Dorf Alvensleben meldet, die im Weltkriege ihr Leben für uns zum Opfer brachten. An den Weltkrieg erinnert auch noch das große Eiserne Kreuz über der Kanzel. Jede Gemeinde des Kreises Neuhaldensieben hat 1916 ein Kreuz genagelt, das in der Kirche als dauerndes Andenken an die große Zeit einen ehrenvollen Platz erhielt. Zur Nagelung wurden verzinkte, versilberte und vergoldete Nägel verwandt, die im Preise verschieden waren. Das Ergebnis des ganzen Kreises sollte verwendet werden zum Wohle kreiseingesessener, bedürftiger Krieger und deren Angehöriger. Nach dem Friedensschluss sollte bedürftigen und heimkehrenden Soldaten Zuschüsse zum Lebensunterhalt oder zur Begründung einer neuen Existenz gewährt werden und Beihilfen zur Erziehung von Kriegerwaisen. Wenn mit den Jahren die Kinder erzogen waren, sollte das noch vorhandene Kapital zum Bau eines Kreiskrankenhauses verwendet werden. Infolge der Geldentwertung der Nachkriegszeit hat jedoch der Plan nicht zur Durchführung kommen können. Nach langen Jahren wird uns das Kreuz ein Wahrzeichen sein für die Opferfreudigkeit in schwerster Kriegszeit.

Die Orgel

Noch andere traurige Zeugen für die schweren Notzeiten des Krieges finden wir an der Orgel und auf dem Glockenturm. Die Nordansicht unserer Orgel bietet einen traurigen Anblick. Eine große Leere gähnt uns entgegen. Da fehlt etwas. Im Sommer 1917 mußten für die Herstellung von Munition alle nur irgendwie entbehrlichen Orgelpfeifen abgeliefert werden. Bis heute war es der Kirche noch nicht möglich, Ersatz zu schaffen. Zur selben Zeit, als die Orgelpfeifen geholt wurden, mussten auch Glocken geopfert werden, um mit ihrem Metall dem Vaterlande In anderer Weise zu dienen.

Der Glockenturm 

Nun hängt seit 15 Jahren die letzte Glocke einsam auf dem Turm. Doch wo ist der Turm? Einen eigenen Kirchturm sehen wir bei der Kirche nicht. Sie trägt auf dem Dache nur ein mit Schiefer gedecktes Uhrentürmchen mit vergoldetem Turmknopf und neuerer Wetterfahne aus dem Jahre 1887. Den eigentlichen Glockenturm finden wir eine ganze Strecke entfernt nördlich auf dem Löbenberg. Seiner ganzen Bauart nach scheint er viel älter zu sein als die jetzige Godoberti-Kapelle. Welchen Zwecken mag er früher gedient haben? Ist er immer schon als Glockenturm benutzt worden oder ist er gar noch ein Überrest der alten Burganlagen? Der Turm ist nur niedrig, aber er steht ja auf der Höhe. Weit hin schweift der Blick und die Glocken schallen über das ganze Dorf. Die räumliche Trennung von der Kirche bedeutete vor allem eine große Ersparnis an Baumaterial. Der Glockenstuhl aus schwerem Eichenholz trug ursprünglich 3 Glocken Die größte und die kleinste würden ein Opfer des Weltkrieges. Die einzige noch vorhandene Glocke stammt aus dem Jahre 1702. Ihre Inschrift lautet:

NON INSUETA EGO CONVOCARE DEI CULTORES
AD TEMPUS ALIQUOD PROPTER SCISSURAM
IMPEDIEBAR CUI MEDELA QUI DEM FIEBAT AN: 1693,
SED SALTEM USQUE AD ANNUM 1700. QUO PASSA
RECIDIVAM, MM PRISTINAE RESTITUTA SUM INTEGRI-
TATI, TEMPORE NEMPE DOMINI FRIDERICI I. REGIS IN
PRUSSIA ET ELECTORIS BRANDENB: DNI HERMANNI
WISSMANNI PRAEF: SUPER: REGII; DNI CUST. JOACH.
BUSSENY. PAST, C. KRÜMMEL ET E. WIGERT, TEMPLI
CURAT:
FUSORIS TANDEM JOH: URBAN MEYRE CALVERD:
A.O.R. MDCCII

Die deutsche Übersetzung dieser Inschrift lautet etwa:

„Wohl gewöhnt, die Gottesfürchtigen zusammenzurufen. wurde ich zeitweise (auf eine gewisse Zeit) daran gehindert wegen eines Sprunges (Risses). dem zwar Heilung ward im Jahre 1803. aber nur bis zum Jahre 1700, wo Ich einen sich wiederholten (Sprung) erlitt; nunmehr bin ich zu dem früheren unversehrten Zustand wieder hergestellt, und zwar zur Zelt des Herrn Friedrich 1., Königs von Preußen und Kurfürsten von Brandenburg, des Herrn Hermann Wißmann, königlichen Amtshauptmanns, des Herrn Gustav Joachim Busse, Pastor, Christian Krümmel und Ernst Wigert, Kirchväter, endlich des Gießers Johann Urban Meyre in Calvörde A.O.R. 1702“.

A.O.R. ist die Abkürzung für anno orbis redempti „im Jahre der Welterlösung“.

Die Kirchenrechnung des Jahres 1693 enthält eine besondere Rechnung über die Umgießung der Glocken. Die große Glocke von etwa 22 Zentner Gewicht und die Mittelglocke von 13 Zentner Gewicht wurden umgegossen. Zur Aufbringung der Kosten wurde eine Geldsammlung veranstaltet. Das Namensverzeichnis der Geldgeber ist der Rechnung beigefügt. Die heute noch in Alvensleben vorkommenden Namen sind da verzeichnet: Pfuhle, Deumeland, Dauel, Wolff, Hartmann, Thielecke, Peine. Merkwürdigerweise wurde getrennt für die Glocke gesammelt. Die Sammlung für die Mittelglocke erfasst 50 Taler, für die große Glocke nur etwa 30 Taler. Das Umgießen beider Glocken kostete fast 80 Taler, es blieb ein Bestand von 12 Groschen. Da diese Glocken nicht mehr vorhanden sind, kann der Name des Gießers nicht angegeben werden. Aus der Rechnung geht nur noch hervor, dass der Glockengießer von Zerbst geholt wurde. Wo die Glocken umgegossen wurden ist auch nicht bekannt. Wie die Inschrift der Mittelglocke sagt, hat die alte Mittelglocke im Jahre 1700 einen neuen Sprung erhalten, so dass sie abermals umgegossen werden musste. Bei den Gesamtkosten des Umgießens in Höhe von 64 Talern wurden durch eine Sammlung etwa 56 Taler aufgebracht. Wissmann gab allein 15 Taler und schenkte zum Glockengut noch eine Messingkrone von 27 Pfund Gewicht, einen Mörser und ein Becken. Der Umguß der Glocke erfolgte in Calvörde. Die Kirchenrechnung berichtet, dass der Gießer Johann Urban Meyer aus Wolfenbüttel ietzo in Calföhr sich aufhaltend 32 Taler laut Vertrag bekomme. Die Glocke wurde gegossen am 7. September 1702 bei der Schäfferey vor Calföhre und war Gott sey Dank, in allen ganz wol gerathen und hält den Tohn g“. Calvörde als Glockengießeort? Es werden dort wohl keine großen Gießereien gewesen sein, vielmehr ist anzunehmen, dass die Gießer mit Schmelzöfen in Lande umherzogen und an bestimmten Orten die Aufträge der Umgebung erledigten. Es wäre mir interessant, zu erfahren, welche Glocken noch in Calvörde gegossen worden sind. Der Glockenturm auf dem Löbenberg zeigt heute noch einen merkwürdigen Glockenersatz. Während die vollen Stunden auf der Glocke angeschlagen werden, werden Viertel- und Halbstunden auf einer Schlussdeckplattenwand eines Dampfkessels angeschlagen. Herr Maschinenbesitzer Walter stellte diesen Ersatz bis zur Neuanschaffung einer Glocke zur Verfügung.

Das Uhrentürmchen auf der Kirche trägt nur eine kleine Glocke von 48 cm unteren Durchmessers und 37 cm Höhe. Außer der Jahreszahl 1699 trägt diese Glocke keine weitere Inschrift. Wann werden die fehlenden Glocken ersetzt werden? Möchte es nicht mehr allzu lange dauern und möchten die neuen Glocken dann bessere Zeiten einläuten!